Jutta Horstmann: Jede zweite Führungskraft bei eyeo ist weiblich
eyeo's COO erklärt im Interview wie auch andere Tech-Unternehmen dieses Ziel erreichen können
Jutta Horstmann spricht im Rahmen der Interviewreihe “Frauen in der Tech-Branche” mit dem eco-Verband der Internetwirtschaft über Role Models, ihre spannendsten Aufgaben als COO und wie Tech-Unternehmen es endlich schaffen können mehr Führungspositionen mit Frauen zu besetzen.
Wie gestaltet sich Ihr Arbeitsalltag als Chief Operating Officer bei eyeo und was ist das Spannendste und Schönste an Ihrem Job?
Jutta Horstmann: Als COO bin ich bei eyeo für die Organisationsentwicklung von eyeo als agiles Software-Unternehmen mit remote Standorten auf der ganzen Welt verantwortlich. Wir sind in den letzten zwei Jahren stark gewachsen und immer mehr Standorte und Zeitzonen sind dazugekommen. Zu meinen Aufgaben gehört zum Beispiel sicherzustellen, dass die gesamte Infrastruktur des Unternehmens in diesem Prozess mitwächst und das Wachstum auch abbilden kann.
Das Spannendste und Schönste für mich ist es eine Organisationsstruktur und -infrastruktur aufzubauen, die die grundlegenden Voraussetzungen für den Unternehmenserfolg schafft. Dazu gehört eine ausgeklügelte IT-Infrastruktur, die aus einem zentralen Work Tracking System, einem Wissensmanagement Tool, Intranet und einem Company Chat Tool sowie einem Digital Whiteboarding Tool besteht. Dass wir unsere Infrastruktur ständig weiterentwickeln ist sicherlich auch ein Grund dafür, dass wir sehr gut durch die Coronakrise gekommen sind. Die Umstellung auf 100 % Home Office ging bei uns sehr schnell und ohne Zwischenfälle vonstatten.
Als Sie in den 90er Jahren ihre ersten Schritte als Entwicklerin in der Open Source Community gemacht haben, waren Sie häufig die einzige Frau. Was sind Ihre Erfahrungen aus der Arbeit in einem männerdominierten Umfeld? Und wo stehen wir aus Ihrer Sicht heute im Bereich Frauen in Tech?
Jutta Horstmann: Ich denke wir haben seit den 90er Jahren sicherlich einige Fortschritte gemacht, damals war ich oft die einzige Frau auf vielen Veranstaltungen. Heute kommt das zum Glück viel seltener vor und bei eyeo bemühen wir uns auch sehr mit gutem Beispiel voranzugehen, aber die Tech Branche hat hier noch einen langen Weg vor sich. Nach wie vor existiert die Gender Pay Gap und es gibt viel zu wenige Frauen in Führungspositionen, um nur zwei Probleme zu nennen. Darum ist es umso wichtiger, dass wir Frauen in Führungspositionen dieses Thema vorantreiben und ihm zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen.
Sie engagieren sich stark für die Themen Frauen in Tech und Frauen in Führung. Als Initiatorin von “female leadership at eyeo” sind Sie dafür verantwortlich, dass mittlerweile 50% der Führungspositionen bei eyeo mit Frauen besetzt sind. Wie kam es zur Initiierung des Programms und welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
Jutta Horstmann: 2006 habe ich mein eigenes Unternehmen für Software-und Datenbankentwicklung gegründet, dabei habe ich mir das Ziel gesetzt 50% weibliche Mitarbeiterinnen einzustellen und konnte das auch verwirklichen. Eine weibliche CEO zu haben war hier unglaublich hilfreich. Als ich mich 2017 entschied zu eyeo zu gehen war mir klar, dass ich die Aufgabe mehr Frauen in Leadership Positionen zu bringen hier fortführen möchte. 2020 haben wir nun auch bei eyeo die 50 Prozent Marke geknackt worauf ich sehr stolz bin. Dieser Meilenstein zeigt, dass sich mit den richtigen Instrumenten diese Erfolgsgeschichte wiederholen lässt.
In der Coronakrise haben Sie bei eyeo das Corona Family Care Programm initiiert, um Eltern zu unterstützen. Was verbirgt sich dahinter und was war Ihre Motivation dazu, als Arbeitgeber Eltern in dieser Form unter die Arme zu greifen?
Jutta Horstmann: Corona Family Care bedeutet, dass Eltern in der Coronakrise stunden- oder tageweise Familienzeit nehmen können. Corona-Familienzeit wird nicht vom Gehalt oder den Urlaubstagen abgezogen. Uns war wichtig den Eltern größere Flexibilität zu ermöglichen, gleichzeitig muss aber auch die Arbeit in den jeweilige Teams funktionieren. Deshalb muss Corona Family Care nicht beantragt oder genehmigt werden, die Abwesenheit muss allerdings im Team transparent gemacht und dokumentiert werden.
Ich sehe die Geschäftsführung eines Unternehmens hier in der Pflicht ihren Mitarbeiter*innen ein Arbeitsumfeld zur Verfügung zu stellen in dem ihre mentale und körperliche Gesundheit und natürlich auch ihre Arbeitskraft nicht beeinträchtigt wird. Auch wirtschaftlich ist es sinnvoller, dass sich die Kolleg*innen ausgeruht und mit freiem Kopf auf ihre Arbeit konzentrieren können. Ich bin überzeugt, dass zufriedene Mitarbeiter*innen auch motivierte Mitarbeiter*innen sind und ich denke die positive Entwicklung des Unternehmens im letzten Jahr bestätigt das.
Sie setzen sich bei eyeo für Frauen in Leadership, sind Speakerin zum Thema Frauen und Führung und stehen als COO an der Unternehmensspitze. Welchen Tipp möchten Sie Frauen mitgeben, die eine Führungsposition anstreben oder gerade in die Führungsrolle hineinwachsen? Und welchen Tipp haben Sie andererseits für Unternehmen, die Vielfalt im Aspekt Gender in ihre Chefetagen bringen wollen?
Jutta Horstmann: Schaffen Sie in Ihrem Unternehmen Rahmenbedingungen, die vielfältigen Lebensentwürfen Rechnung tragen. Das kann ganz unterschiedliche Ausprägungen haben zum Beispiel mehr Home Office oder flexiblere Arbeitszeiten. Wenn Sie nicht wissen wo Sie anfangen sollen sprechen Sie mit den Menschen in Ihrem Unternehmen, die nicht den klassischen Informatiker mittleren Alters repräsentieren und fragen Sie was Ihnen helfen würde. Setzen Sie sich verbindliche Ziele, denn die ausgetretenen Pfade zu verlassen kann am Anfang unbequem und ungewohnt sein. Bekennen Sie sich auch nach außen zu Ihrem Ziel und zeigen Sie Ihre Role models. Diversen Führungskräften in Ihrem Unternehmen eine Bühne zu bieten ermutigt nicht nur junge Frauen und Mädchen diesen Weg einzuschlagen, sondern wird auch mehr Frauen zu Bewerbungen motivieren.
Der wichtigste Rat, den ich jungen Frauen mitgeben möchte, ist: Sei mutig! Eine gute Führungskraft zu sein hat nichts Unweibliches an sich, ganz im Gegenteil! Zu führen ist eine der ureigensten weiblichen Eigenschaften, wir sollten sie besetzen und uns zu eigen machen. Frauen müssen nicht nach den Regeln eines Systems spielen, das sie nicht ausreichend mitdenkt. Wir haben die Macht dieses System zu verändern und sollten sie nutzen.
Eine paritätisch besetzte Doppelspitze ist eine interessante Möglichkeit, Unternehmen in die Zukunft zu führen und auch den Vielfalts-Gedanken an ganz zentraler Stelle zu verankern. Wie kann man dieses Modell zum Erfolg führen?
Jutta Horstmann: Ich halte das für einen sehr guten Ansatz und wir führen auch bei eyeo immer grundsätzlich als Team. Um als Leadership-Team erfolgreich zu sein, braucht es gute und offene Kommunikation, Kompromissbereitschaft und gegenseitiges Vertrauen.
Das Interview erschien zuerst unter: https://www.eco.de/news/im-gespraech-mit-jutta-horstmann-chief-operating-officer-eyeo/